Die allermeisten Menschen, die ich kenne, können nicht Nein sagen, ohne Schuldgefühle zu haben.
Geht es dir ähnlich?
Heute war eigentlich dein freier Abend.
Du wolltest zum Sport, Sushi bestellen und endlich das Buch anfangen, das seit Weihnachten auf deinem Nachttisch liegt.
Nun war ein Kollege krank und du musstest länger arbeiten, um die dringendsten seiner Aufgaben zu erledigen.
Dieser Kollege wollte auch einen Kuchen für die Firmenfeier morgen backen – diese Ehre wird nun dir zuteil, obwohl du nicht gerade ein Backgenie bist.
Deine beste Freundin hat Stress mit ihrem Liebsten und braucht möglichst heute noch ein Treffen, um ihr Herz auszuschütten.
Dein Mann schickt dir schon die dritte Nachricht mit der Nachfrage, ob du an der Packstation vorbeifahren kannst, um sein Eiweißpulver mitzubringen und jetzt ruft auch noch deine Mutter an, ob du mal eben vorbei schauen könntest, die frisch gewaschenen Gardinen müssten wieder aufgehängt werden.
Dein freier Abend?
Verplant.
Wenn du Glück hast, wirst du 3 Seiten in deinem Buch schaffen und darüber einschlafen.
Nachdem du bei Oma Gardinen angebracht und auch noch schnell Fenster geputzt hast, stehst du nun Teig knetend in der Küche und versuchst gar nicht erst, dem treuherzigen Blick deines Hündchens zu widerstehen.
Gedankenverloren wirfst du ihm ein Leckerli nach dem anderen hin und fragst dich, was du hättest anders machen können.
Deine Hilfe wurde dringendst benötigt.
Da kann man doch nicht Nein sagen, ohne sich schuldig zu fühlen.
ODER?
Kürzlich habe ich hier beschrieben, was hinter der Angst steckt, Nein zu sagen.
Häufig spielt die Angst vor Ablehnung und vor Verlust des Kontaktes eine Rolle.
Weil ein Nein in deiner Kindheit vielleicht nicht gern gehört wurde oder deine Bedürfnisse nicht ernst genommen wurden, fällt es dir heute schwer, dich ohne Schuldgefühle abzugrenzen und etwas für dich zu tun.
Um ein Nein zu vermeiden, sagst du stattdessen vielleicht „Ich weiß noch nicht…“ oder „Hmmmm, mal sehen“ und hoffst, dass der andere bemerkt, was los ist.
Mein Partner sagt übrigens anstatt „Nein“ immer „Geht so“:
„Hast du Lust, ins Kino zu gehen und Terminator III zu schauen?“
„Geht so.“
„Also eher nicht?“
„Hm ja, ich will den Film nicht sehen.“
😉
Hier habe ich 9 Formulierungen für dich, die dir vielleicht helfen, dich klarer abzugrenzen und ohne diese blöden Schuldgefühle Nein zu sagen.
1. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Erbitte dir Bedenkzeit
Es ist immer erlaubt, eine Pause einzulegen und nachzudenken:
„Das möchte ich mir kurz überlegen. Ich rufe in 10 Minuten noch einmal an.“
„Ich will erst schauen, was ich diese Woche noch alles zu tun habe. Ich melde mich heute Nachmittag wieder.“
Das ermöglicht, aus der Situation herauszugehen und ohne Druck zu evaluieren, was eine Zusage bedeuten würde. Darüber hinaus hast du Zeit gewonnen, um dir eine Antwort zurechtzulegen, wieso du heute nicht aushelfen kannst.
Dies funktioniert nur, wenn du dich an die Absprache hältst und dich noch einmal zum vereinbarten Zeitpunkt meldest.
2. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Kläre die Prioritäten
Während meiner Zeit als Produktmanagerin war ich in der Lage, je nach Umfang 3 bis 5 Projekte gleichzeitig zu managen. Wenn mein Chef mir neue Projekte aufdrücken wollte, zeigte ich ihm meine aktuelle Liste und fragte, welches davon wir zugunsten des neuen Projektes streichen sollen.
Ich kannte meine Limits, wollte meine Arbeit sehr gut machen. Dies gelang mir jedoch nur für eine begrenzte Anzahl Projekte.
Ich zwang meinen Chef also, meine Arbeit zu priorisieren. Für mich war das ein normaler Vorgang, weil ich es so kennengelernt hatte, dass Mitarbeiter sagen, was sie bewältigen können und Vorgesetzte im Zweifel priorisieren, was am wichtigsten ist. (Mein Chef fand das so beeindruckend, dass er mein Beispiel immer noch in seinen Vorträgen aufgreift).
Wenn also ein Vorgesetzter mit mehr Arbeit an dich herantritt, könntest du statt eines Neins sagen:
„Ich übernehme das sehr gern. Aktuell arbeite ich an a, b und c und bin voll ausgelastet. Was davon können wir streichen, so dass ich Zeit für die neue Aufgabe habe?“
Vorgesetzten ist es in der Regel lieber, dass Mitarbeiter ihre Ressourcen realistisch einschätzen. Es ist ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Mitarbeiter seine Arbeit in der zu Verfügung stehenden Zeit schafft.
Dafür muss er natürlich wissen, woran der Mitarbeiter arbeitet und wieviel Zeit dies in Anspruch nimmt.
3. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Erfülle die Bitte – aber nur zum Teil
Dein Nein kann sich besser anfühlen, indem du ein Gegenangebot machst, das du gern bereit bist zu geben:
„Nein, ich kann dir am Samstag nicht beim Umzug helfen. Ich packe aber gern am Donnerstag eine Stunde mit dir Kisten ein.“
Du zeigst, dass du generell Interesse am anderen hast, ihn unterstützen möchtest und seine Bitte ernst nimmst, sorgst aber gleichzeitig für dich selbst, wenn dir die Bitte zu groß erscheint.
Weitere Formulierungen könnten sein:
„Nein, ich schaffe es nicht, dieses Projekt neben meinen anderen Projekten auch noch zu leiten. Ich könnte aber als Teil des Projektteams die wöchentlichen Meetings leiten.“
„Ein Treffen am Montag nach der Arbeit ist mir zu stressig, wie wäre es am Samstag?“
4. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Mache deine Verantwortung zum Thema
In kritischen Situationen, die schwierige Entscheidungen erfordern, die mit deinen persönlichen Werten als Führungskraft im Konflikt stehen, kannst du beim Nein sagen deine Rolle thematisieren:
„Ich persönlich verstehe sehr gut, dass du heute eher gehen willst. Als Verantwortliche für dieses Projekt muss ich dir leider sagen, dass diese Aufgabe heute noch fertig werden muss.“
Denke auch an weitere Rollen, die du innehast:
„Als Mama verstehe ich sehr gut, dass es morgens im Kindergarten länger dauern kann. Als deine Chefin muss ich dir gleichzeitig sagen, dass du Montag früh 8:30 Uhr pünktlich beim Kunden auftauchen musst.“
„Als Nutzerin der öffentlichen Verkehrsmittel weiß ich, wie oft der Bus morgens ein paar Minuten später kommt. Als deine Projektleiterin muss ich dir leider mitteilen, dass wir die Besprechung nicht noch weiter nach hinten verschieben können.“
5. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Würdige die guten Absichten des anderen
Jemand klopft an deine Tür und bringt dir einen Teller mit selbstgebackenem Geburtstagskuchen. Aber du versuchst gerade, eine Woche zuckerfrei zu leben.
Andererseits möchtest du die liebe Geste nicht zurückweisen. Hier können auch Glaubenssätze wie „Niemanden vor den Kopf stoßen, der es gut meint“ eine Rolle spielen.
Auch wenn du Nein zu dem Kuchen sagst, kannst du deinem Vorhaben treu bleiben und dem anderen trotzdem das Gefühl geben, dass du ihn siehst und seine Bemühungen zu schätzen weißt:
„Danke, das ist lieb, dass du an mich gedacht hast. Der Kuchen sieht wirklich verlockend aus. Ich könnte sofort reinbeißen – aber ich versuche gerade, nichts mit Zucker zu essen. Ich nehme das Stück aber gern für meinen Mann mit / stell es doch meinem Kollegen hin, der freut sich bestimmt.“
„Ich fühle mich unheimlich geschmeichelt, dass du mir diese Aufgabe zutraust – und gleichzeitig habe ich wirklich keine Zeit dafür.“
Verwende statt „aber“ lieber „und“ oder „gleichzeitig“, so haben beide Sätze denselben Stellenwert. Mit „aber“ klingt deine Begründung oft so, als würdest du dir eine positive Message abringen.
„Ich freue mich wirklich sehr, dass du mit mir zusammen auf dieses Konzert gehen möchtest. Gleichzeitig ist das so überhaupt nicht meine Musik.“
6. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Steuere die Erwartungen an dich
Wenn du weißt, dass dir zwei außergewöhnlich stressige Wochen bevorstehen, in denen du unmöglich noch um Zusatzaufgaben kümmern kannst, unterstützt es dich beim Nein sagen, die Erwartungen der anderen im Voraus zu steuern.
Zum Beispiel durch eine E-Mail an deine Abteilung:
„In den nächsten 2 Wochen werde ich mit dem Jahresabschluss beschäftigt sein. Bitte stellt mir alle wichtigen Fragen bis Freitag, den 10.1., und habt Verständnis, dass ich in KW 3 und 4 keine zusätzlichen Aufgaben übernehmen kann.“
Wenn sich dann einer meldet, fällt es leichter, mit Verweis auf die E-Mail Nein zu sagen.
7. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Sprich die Gesprächsdynamik an
Wenn du dich zu stark unter Druck fühlst, Ja zu sagen, thematisiere diese Dynamik:
„Offenbar wollen Sie mich mit allen Mitteln überzeugen, diese Versicherung abzuschließen. Ich will sie trotzdem nicht (und werde das Gespräch jetzt beenden).“
„Ich fühle mich unter Druck, weil du mir so schnell eine Entscheidung abverlangst. Melde dich morgen noch einmal.“
„Ich höre, dass es dir sehr wichtig ist, mich umzustimmen. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass ich es heute nicht schaffe.“
Probiere die Kombination mit einer anderen Technik aus – eine Gesprächspause einlegen, bevor du dich final entscheidest, passt sowieso fast immer:
„Wenn Sie beide auf mich einreden, fühle ich mich in die Ecke gedrängt. Bitte lassen Sie uns eine Pause machen, in der ich mir eine Vorgehensweise überlegen kann.“
8. Weg für weniger Schuldgefühle beim Nein sagen:
Zeig Empathie
Auch wenn du jemandem eine Bitte nicht erfüllen willst, ist es trotzdem erlaubt, Mitgefühl für seine Situation zu zeigen:
„Es stresst dich bestimmt sehr, dass du diese Aufgabe heute noch fertigstellen musst, oder? (Antwort abwarten) …ja, wirklich blöd. Ich kann dir leider trotzdem nicht dabei helfen, tut mir leid.“
In schwierigen Situationen kann es helfen, die Gefühle des anderen zu thematisieren, ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen, wie der andere sich fühlt:
„Es ist ok für mich, wenn du traurig darüber bist, dass wir nicht mehr jeden Tag telefonieren werden. Für mich wird es auch schwer. Gleichzeitig möchte ich besser mit meinen Energien haushalten.“
9. Weg, ohne Schuldgefühle Nein zu sagen:
NEIN.
Ein Nein bedarf nicht immer einer Begründung.
Deine Grenzen sind deine Grenzen. Die muss niemand verstehen. Du tust mit einer Grenze etwas für dich, nicht gegen den anderen.
Es ist ok, dass der andere traurig, genervt oder verärgert reagiert. Es ist erlaubt, emphatisch mit dem anderen sein, seine Gefühle zu sehen und trotzdem die Verantwortung dafür bei ihm zu lassen.
Schuldig musst du dich deswegen nicht fühlen.
Du bist nicht verantwortlich für die Gefühle des anderen, aber du bist verantwortlich dafür, wie es dir geht.
Du bist erwachsen und nicht auf die Gunst des anderen angewiesen.
Fazit
Ein Nein kannst du üben. Beginne mit
- Menschen, mit denen du dich sicher fühlst
- Vertretern am Telefon
- Info-Ständen in der Fußgängerzone, die dich zum Spenden auffordern
- Menschen, denen du nie wieder begegnen wirst
Halte dir vor Augen, dass ein Nein gleichzeitig auch ein Ja ist: ein Ja zu dir und deinen Bedürfnissen.
Zeit ist deine wertvollste Ressource. Setze sie mit Bedacht ein.
Als kleine Gedächtnisstütze habe ich die 9 Wege, Nein zu sagen, hier noch einmal hübsch übersichtlich als pdf zum Herunterladen und Ausdrucken zusammengefasst:
Hier geht es zu der weiter oben erwähnten Liste mit Gefühlen und Bedürfnissen. Mit Klick auf den Link erhältst du Zugriff auf alle meine Checklisten, Übersichten und E-Books – natürlich kostenfrei!
Hi, ich bin Janett.
Ich bin Psychologin, Psychotherapeutin und Chef-Flüsterin.
13 Jahre lang war ich selbst Führungskraft, sowohl im Startup als auch im 100 Mio €-Business. Während dieser Zeit habe dabei allerhand getestet, gelernt, wieder verworfen und optimiert.
In meinen Coachings gebe ich nun genau das weiter: ich unterstütze Gründer und Unternehmer auf ihrem Weg vom Freund zum Chef und helfe ihnen, effektiv und harmonisch mit ihren Teams zu arbeiten.
Gern helfe ich auch dir! Nimm Kontakt auf: jd@janettdudda.de
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